Roland Barthes, Memento mori und die Bilder sterbender Haustiere
Roland Barthes schrieb in Die helle Kammer über die Fotografie als Medium des Todes. Für ihn ist jedes Foto ein memento mori, ein Erinnerungszeichen an die Sterblichkeit – denn in dem Moment, in dem ein Bild etwas festhält, zeigt es auch an, dass dieses Etwas vergangen, vergangen sein wird. Gerade in Bildern von Verstorbenen oder Sterbenden tritt dieser Gedanke mit besonderer Intensität hervor. Noch deutlicher und schmerzhafter wird dies, wenn es sich nicht um Menschen, sondern um Haustiere handelt – jene Geschöpfe, die uns oft stiller und inniger begleiten als viele Menschen.
Ein Foto eines sterbenden Tiers kann nicht nur Dokumentation sein, sondern auch ein Versuch, das Unaussprechliche zu fassen: das Verlöschen eines kleinen Lebens, das uns über Jahre hinweg Nähe, Trost und unbedingte Gegenwart schenkte. Die Kamera wird zum Werkzeug der Erinnerung, aber auch des Abschieds. In ihr schwingt das Paradoxe mit, das Barthes beschreibt: Das Tier ist auf dem Bild noch da – und doch ist es gerade das Wissen um sein baldiges oder bereits eingetretenes Ende, das das Bild so eindringlich macht. Es ist ein Bild des Lebens gegen den Tod, und zugleich eines, das den Tod durch das Leben sichtbar macht.
Und dies ist umso wahrer, wenn das Ende bereits konkret bevorsteht – wenn wir einen Termin kennen, den wir selbst gewählt haben, aus Verantwortung, aus Zuneigung, aus dem Wunsch, Leiden zu ersparen. In solchen Momenten ist unsere Rolle zutiefst ambivalent: aus Liebe handelnd, tragen wir dennoch dazu bei, dass das geliebte Wesen geht. Wir werden, wie es kaum zu fassen ist, aus Barmherzigkeit zu jenen, die den Abschied herbeiführen. Diese Gewissheit, das Wissen um den genauen Zeitpunkt des Sterbens, legt sich wie ein Schleier über das Bild – es zeigt nicht nur das Tier, sondern auch unser inneres Ringen, unser Dasein am Rand der Ohnmacht.
Barthes spricht von dem „Punctum“ eines Bildes – jenem kleinen Detail, das uns persönlich trifft, verwundet, aus der Ruhe bringt. In Bildern sterbender Haustiere ist das Punctum oft sehr konkret: ein schlaffer Blick, ein leises Ohr, das nicht mehr reagiert, ein vertrauter Liegeplatz, der nun eine andere Stille trägt. Diese Bilder sind keine öffentlichen Gedenkbilder, sondern zutiefst intime Zeugen eines letzten gemeinsamen Moments. Und gerade deshalb fordern sie unsere Aufmerksamkeit auf besondere Weise heraus – sie sind nicht spektakulär, aber sie dringen tief.
In einer von Bildern überfluteten Welt, in der Sterben und Tod oft verdrängt oder ästhetisiert werden, wirken solche Aufnahmen fast wie stille Widerworte. Sie sagen: Auch dieses kleine Leben zählt. Auch dieser Abschied hat Würde. Und sie laden ein zur Trauer – nicht nur um das Tier, sondern auch um all das, was mit ihm geht: Gewohnheiten, Rituale, eine bestimmte Zeit unseres Lebens.
So werden diese Bilder – ganz im Sinne Barthes – zu einem persönlichen memento mori. Aber auch zu einem memento amavi: Ich erinnere mich, dass ich geliebt habe. Und dass ich geliebt wurde.