Bilder des Bösen – Böse Bilder 2

Eine Kulturgeschichte der Bilder des Bösen
2. Teil.

 

Mit dem Beginn der Aufklärung und dem einhergehenden technologischen Fortschritt im 19. Jahrhundert erhielt die visuelle Darstellung des Bösen durch die Fotografie eine neue und vor allem scheinbar reale Ausdrucksform. Die Fotografie ermöglichte es, das Böse individuell und unmittelbar darzustellen – genau wie die Fotografie wurde auch die Darstellung des Bösen in ihrer Verbreitung demokratisiert und gleichzeitig vulgarisiert. Das Böse war nun nicht mehr ausschließlich durch Illustrationen oder Malereien abstrahiert, sondern trat dem Betrachter scheinbar real entgegen: die Gesichtszüge eines Mörders ebenso wie die des ideologischen Gegners, das Grauen des Krieges als Bilddokument ebenso wie Fotografien von Elend, Hunger oder Vertreibung.

Lewis Thornton Powell an Bord der USS Saugus, 1865. Foto von Alexander Gardner.

Diese Realität, eben das menschliche im vermeintlich bösen führt zu mitunter überraschenden frühen Bildikonen. Eine der bemerkenswertesten Fotografien dieser Zeit ist die von Lewis Thornton Powell, aufgenommen von Alexander Gardner. Powell war ein führendes Mitglied der Verschwörer rund um die Ermordung Abraham Lincolns im April 1865 und war nach kurzer Flucht gefasst worden. Gardner fertigte das Foto während Powells Gefangenschaft nach dem Attentat an. Es zeigt einen Hintergrund aus dunklem Metall und wurde vermutlich auf der U.S.S. Saugus aufgenommen, wo er eine Zeit lang gefangen gehalten wurde. Das dunkle, metallische Hintergrundmotiv in Verbindung mit den zwingenartigen Handschellen verstärkt den Eindruck von Härte und Unnachgiebigkeit.

Auf der anderen Seite gibt es eine menschliche Dimension in diesem Bild. Powells jugendliches Aussehen, sein ernster, fast nachdenklicher Gesichtsausdruck und die Tatsache, dass er ein relativ junger Mann war, der in eine der folgenschwersten Verschwörungen der Geschichte verwickelt wurde, werfen Fragen nach seiner Motivation, seinen Überzeugungen und vielleicht sogar nach seinem Bedauern auf. Diese Elemente verleihen dem Foto eine gewisse Tragik und werfen ein Licht auf die persönliche Tragödie eines Individuums, das in historische Ereignisse verstrickt wurde, die weit über seine persönliche Kontrolle hinausgingen.

Fotografien der Mitglieder der Verschwörergruppe des Attentats auf Abraham Lincoln wurden in den USA medial weit verbreitet. Das Interesse der Nation am sich anschließenden Prozess und der Verurteilung war beträchtlich – so darf es sich nicht wundern das auch von der abschließenden Vollstreckung der Todesurteile gegen die Verschwörer Fotografien sowohl angefertigt als auch vertrieben wurden.

Allen Unzulänglichkeiten der noch jungen Fotografie zum Trotz steckte in ihr stets der Anspruch auf Wahrheit, auf Roland Barthes‘ „So ist es gewesen“. Dies führte zu einer intensiveren und direkteren Auseinandersetzung mit Themen wie Verbrechen, Krieg und sozialen Missständen, insbesondere nach einem weiteren Innovationsschub mit Blick auf die Entwicklung erster visueller Massenmedien wie beispielsweise der Berliner Illustirten Zeitung. Die Bilder von Kriegsschauplätzen, Opfern von Verbrechen oder Armut hatten eine starke Wirkung auf die öffentliche Wahrnehmung und das Verständnis des Bösen. Sie machten das Leid und die Brutalität für ein breites Publikum sichtbar und fassbar.

Alexander Gardner, Timothy H. O'Sullivan - Home of a Rebel Sharpshooter, Gettysburg aus Gardner's Photographic Sketchbook of the War, United States Library of Congress. Mehr dazu hier.

Dies zeigt sich beispielsweise in Roger Fentons "Tal des Todes", mit seinen sorgfältig arrangierten Kanonenkugeln im Nachgang an den Todesritt der „Leichten Brigade“ auf der Krim, oder in Alexander Gardners Bild eines sorgfältig inszenierten gefallenen Konföderierten Soldaten in Gettysburg. Der Amerikanische Bürgerkrieg war der erste große Konflikt, der umfangreich fotografisch dokumentiert wurde, wenngleich der Fotografie zu dieser Zeit noch die Schnelligkeit und mediale Schärfe fehlte, die sie erst durch ihre massenhafte Verbreitung erlangen sollte.

Obwohl es auch aus den zeitgleich stattfindenden deutschen Einigungskriegen eine erhebliche Menge an fotografischem Material gab, dominierte in Europa bis weit in die Neuzeit hinein die idealisierte Darstellung der Schlachtenmalerei. Militär und Öffentlichkeit betrachteten den bewaffneten Konflikt wieder als eine räumlich begrenzte und ebenso bunte wie heroische Auseinandersetzung, die stets als politisch beherrschbar galt, ähnlich wie die Konflikte aus der Zeit der Kabinettskriege. Besonders nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 schien das Interesse an der Realität des Schlachtfeldes auf beiden Seiten gering ausgeprägt. In Deutschland überwog das nationale künstlerische Pathos, oft geprägt von einer gewissen gönnerhaften Überheblichkeit dem unterlegenen Gegner gegenüber. In Frankreich hingegen etablierte sich in der Kunst das Sujet der Revanche-Malerei, das nationalen Ressentiments mitunter freien Lauf ließ.

Der Meldereiter, Alphonse-Marie-Adolphe de Neuville, 1880.

In die gleiche Epoche fällt die Einführung des standardisierten Fahndungsfotos. Das erste bekannte System der fotografischen Verbrecherregistrierung wurde zwar bereits Mitte des 19. Jahrhunderts in Belgien eingeführt, nach der Niederlage der Pariser Kommune im Jahr 1871 beauftragte die Polizeipräfektur von Paris einen Fotografen, Eugène Appert, Porträts von verurteilten Gefangenen zu machen – ebenso wie auch die getöteten Kommunarden fotografiert wurden. Im Jahr 1888 erfand Alphonse Bertillon schließlich das moderne Fahndungsfoto, das Aufnahmen von Vorderansicht und Profil umfasst, und standardisierte dabei die Beleuchtung und die Winkel. Bald darauf folgten andere Länder wie Großbritannien und Frankreich. In den USA begann die systematische Verwendung von Fahndungsfotos nach dem Bürgerkrieg, besonders durch die Pinkerton-Nationaldetektei. Ein charakteristisches Element von Fahndungsfotos, im Englischen als "Mugshots" bekannt, ist die üblicherweise damit einhergehende Vorverurteilung der abgebildeten Person durch den Betrachter sowie mitunter auch nachweisbar durch Teile der Justiz. Die Fotografie mag einen Massenmörder zeigen oder eine unschuldig verfolgte Person –der Betrachter ist jedoch meist geneigt in den Gesichtszügen auf Fahndungsfotos das Antlitz des Verbrechers, des Halunken, des Bösen zu sehen.

Josef Stalin, 1911 - Kartei der Zaristischen Polizei

Europa betrachtete während der Belle Époque die Geschehnisse und aufkommenden Umwälzungen in der kolonialisierten Welt noch mit einer gewissen interessierten Distanz – die aufkommende Reisefotografie von fernen Orten betonten das exotische, das außergewöhnliche. Eine frühe Ausnahme sind hier jedoch die Fotografien aus dem Kongo-Freistaat, zu diesem Zeitpunkt das persönliche Eigentum König Leopold II von Belgien. Fotografen wie Alice Seeley Harris dokumentierten die Opfer der Ausbeutung und Misshandlung der kongolesischen Bevölkerung durch belgische Kolonialbeamte und -agenten. Eines ihrer bekanntesten Bilder zeigt Nsala, einen Mann aus dem Dorf Wala, der auf dem Boden sitzt und die abgetrennte Hand und den Fuß seiner fünfjährigen Tochter betrachtet, die Opfer der belgischen Strafexpeditionen geworden waren. Alice Seeley Harris' fotografische Arbeit ist ein frühes Beispiel für den Einsatz von Fotografie als Werkzeug für Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit. Ihre Bilder spielten eine bedeutende Rolle dabei, die internationale Gemeinschaft über die Gräuel im Kongo zu informieren und trugen mit dazu bei, den Druck auf König Leopold II. zu erhöhen, letztlich führend zu Reformen und der Übertragung der Verwaltung des Kongos an die belgische Regierung im Jahr 1908.

Japanischer Kriegsdruck aus dem Russisch-Japanischem Krieg: Farbholzschnitt von Kobayashi Kiyochika, 1904. Originaltext: In der Schlacht am Nanshan nutzen unsere Truppen einen schweren Sturm zu ihrem Vorteil, um die gegnerischen Stellungen anzugreifen.

Kurz zuvor war es in Asien zur Ouvertüre der Kriege des 20. Jahrhundert gekommen. Der Russisch-Japanische Krieg begann im Februar 1904 mit dem Angriff des Japanischen Kaiserreichs auf den Hafen von Port Arthur und endete nach einer Reihe verlustreicher Schlachten im Sommer 1905 mit der Niederlage des Russischen Kaiserreichs. Der unter US-amerikanischer Vermittlung ausgehandelte Friedensvertrag von Portsmouth vom 5. September 1905 besiegelte den ersten bedeutsamen Sieg einer asiatischen über eine europäische Großmacht in der Moderne. In der Dokumentation des ersten industriellen Krieges der Neuzeit blieb jedoch das Medium der Fotografie die Ausnahme; in der zeitgenössischen Darstellung überwogen die verschiedenen Formen der Illustration, von denen die japanische bis heute vielleicht die visuell eindrucksvollste ist. Die Kamera – und damit ein Stück weit das Auge der Weltöffentlichkeit – blieb jedoch am Spielfeldrand der Hauptereignisse und so verpasste die Weltöffentlichkeit die technisch bereits vollzogene Verwandlung des Krieges in industrialisiertes Massenschlachten. Diese fehlende visuelle Dokumentation der Auswirkungen moderner Waffen mag möglicherweise dazu beigetragen haben, dass niemand ernsthaft sich stetig verstärkendem kollektiven europäischen Kriegstaumel entgegentrat.

Das letzte Foto der Titanic am 11. April 1912 in Queenstown, am Rande Europas, mit Kurs in die Ewigkeit, mag symbolisch für das Ende des alten Europas stehen, das sich kurz darauf selbst entleibte. Ähnlich den Passagieren der Titanic ahnten die jubelnden Menschen auf den Straßen und Plätzen bei Kriegsbeginn im August 1914 nicht, welches Schicksal ihnen bevorstand. Ein Foto des später ebenso bekannten wie berüchtigten Fotografen Heinrich Hoffmann zeigt eine Großdemonstration jubelnder Menschen vor der Feldherrnhalle in München – darunter ein junger, offenbar vom Krieg begeisterter Adolf Hitler. Auch wenn die Echtheit der Fotografie weder bewiesen noch sicher widerlegt werden kann, ist sie entweder eine bemerkenswerte Koinzidenz oder ein besonders gelungenes Stück Bildpropaganda.

Heinrich Hoffmann, Münchner Odeonsplatz am 2. August 1914 (vergrößerte Darstellung Adolf Hitlers), 1914, Münchner Stadtmuseum, Sammlung Fotografie.

Nach einem Gasangriff, ca. 1916. Imperial War Museum.

Der neue Krieg wurde fotografisch wahr genommen, in nüchternem monochrom. Dieser Wandel führte dazu, dass der lebhafte Hurra-Patriotismus der idealisierenden Kriegsmalerei in der öffentlichen Wahrnehmung nicht nur an Bedeutung verlor, sondern sich schon beinahe verlogen geschwätzig neben der verhältnisweise nüchternen Bildsprache der Fotografie verliert. Glanz und Gloria findet sich noch in den Propagandapostkarten und in den Abschiedsportraits der Soldaten. Die Fotografie machte es zum ersten Mal möglich, die Realitäten des Krieges – die Zerstörung ganzer Landschaften und das massenhafte Sterben über Jahre hinweg für nur wenige Quadratmeter Land, insbesondere an der Westfront– auf eine Weise zu dokumentieren, die zuvor ebenso unmöglich wie unbekannt war.

Die Fotografien erfassen nicht nur das individuelle Grauen des massenhaften Sterbens, sondern ebenso die neuen Zeichen und Symbole des Grauens. Stacheldraht, Gasangriffe, Panzer- und Bombenkrieg über den Städten im Hinterland liefern in den vier Jahren gegenseitiger Abnutzung keine Durchbruchserfolge, sondern potenzieren das Leid und die Anzahl der Opfer. Der Feind wird gleichsam unsichtbar und ist doch allgegenwärtig, der bunte Sterbekittel Friedrich des Großen weicht dem Schützengraben, der Tarnung und dem Stahlhelm.

John Warwick Brooke, ca. 1917, National Library of Scotland

Schnell erfassen die sich bekämpfenden Nationen den Wert der Fotografie. Neben privaten Andenken erfassen offizielle Kriegsfotografen das Geschehen an der Front im Sinne ihrer Auftraggeber, eine neue subjektivere Form der Fotografie ermöglicht es dem Betrachter scheinbar ein Teil des Geschehens zu werden. Ein gutes Beispiel dieses neuen Sehens sind die Fotografien von John Warwick Brooke, der mit seiner Kamera scheinbar als Teil eines Stoßtrupps in den Gräben des Westens agiert.

Das dort geborenen neue, tiefe Grauen fanden nach dem Krieg auch in einer neuen Form der Malerei ihren Ausdruck, insbesondere bei Künstlern wie Otto Dix. Dix, ein Veteran des Ersten Weltkriegs, war bekannt für seine schonungslosen Darstellungen des Kriegs und seiner Folgen. Seine Werke, die oft von persönlichen Erfahrungen und den Schrecken des Krieges geprägt waren, zeichneten sich durch eine direkte und oft verstörende Bildsprache aus.

Otto Dix' Gemälde wie "Der Krieg" oder "Die Schützengraben" zeigen eine rohe und grausame Darstellung des Krieges, die stark im Kontrast zu den heroischen und verherrlichenden Darstellungen früherer Zeiten stand. Seine Bilder sind voller Verstümmelungen, Tod und Verwüstung, und sie vermitteln das Leid des Krieges auf eine ebenso direkte wie emotionale Weise.

Die außergewöhnlich kreative Kunst- und Medienszene im Berlin der Zwischenkriegszeit kombinierte modernes Sehen mit den publizistischen Möglichkeiten der ersten echten Massenmedien. Gleichzeitig erkannten sowohl die kollektivistischen Ideen des Sozialismus als auch des Faschismus den Wert der Bilder für ihre eigene Propaganda – und ebenso die ihnen innewohnende Gefahr für ihre eigenen Ideologien.

Aleksandr Rodchenko. Pioneer Girl. 1930, MoMa. Fotografen wie Rodchenko schwankten zeitlebens zwischen Opportunismus und Opposition.

Nach der Machtergreifung der Bolschewisten in Russland wurde die Fotografie genutzt, um die Ideale des Kommunismus zu vermitteln und die politische Botschaft der Sowjetunion zu verstärken. Die Bilder zeigten oft heroisierte Darstellungen von Arbeitern und Bauern sowie glorifizierte Porträts von Führungspersönlichkeiten wie Lenin und Stalin. Diese Fotografien sollten die Macht des Regimes stärken und die Ideologie des Kommunismus verbreiten.

Benito Mussolini, Autor unbekannt

In Italien nutzte das faschistische Regime unter Mussolini die Fotografie, um ein Bild von Stärke, Ordnung und nationaler Einheit zu schaffen. Bilder von Massenveranstaltungen, Militärparaden und dem charismatischen Führer selbst dienten dazu, die Macht des Faschismus zu zelebrieren und die Bevölkerung zu beeindrucken.

In Deutschland verwendeten die Nationalsozialisten die Fotografie als zentrales Element ihrer Propagandamaschinerie. Sie produzierten sorgfältig inszenierte Bilder von Adolf Hitler, Großveranstaltungen wie den Nürnberger Reichsparteitagen und militärischen Erfolgen. Diese Bilder sollten die Ideologie des Nationalsozialismus untermauern, den Führerkult stärken und ein Gefühl der nationalen Überlegenheit erzeugen. 

Heinrich Hoffmann: Hitler probt seine Rednerposen (verm. um 1927)

In Deutschland war der Kult um Adolf Hitler der zentrale Aspekt der – ihrem Wesen nach - nationalsozialistischen Verkaufsstrategie; Hitler selbst war das Produkt, das an die Massen verkauft werden sollte. Als "Führer des Deutschen Volkes" hatte er in der öffentlichen Wahrnehmung allgegenwärtig zu sein, ähnlich einer Kombination aus Gott, Kaiser und Vorarbeiter. Das Bild Adolf Hitlers fungierte, ähnlich wie frühere Herrschaftsbilder, sowohl als Identifikationsfigur als auch als Demonstration des unbedingten Machtanspruches bis weit in das private.

Hitlers Bilder waren omnipräsent, sowohl in öffentlichen als auch in privaten Räumen. Daher war die Art und Weise ihrer Präsentation von großer Bedeutung. Diesbezüglich gab es häufig und grundsätzlich Meinungsverschiedenheiten zwischen der Partei, Hitlers persönlicher Adjutantur, dem Propagandaministerium und dem Reichspressechef. Diese unterschiedlichen Ansichten spiegeln die komplexen Facetten der nationalsozialistischen Propaganda und die zentrale Rolle Hitlers in dieser Inszenierung wider.

Alfred Eisenstaedt - Josef Goebbels, Genf, 1933. Life Magazine.

Für den Organisatoren dieses Kultes, Dr. Josef Goebbels, hatten Fotografen weniger ein ausgeprägtes Interesse an der Wahrheit, dafür vielmehr die richtige Haltung und Einstellung zur Nationalsozialistischen Ideologie zu haben. Von ihm selbst entstand während der Völkerbundversammlung in Genf im Jahr 1933 ein durchaus entlarvendes Bild sowohl der Person Goebbels. Eisenstaedt, ein deutscher Fotograf jüdischer Abstammung, der später in die Vereinigten Staaten emigrierte, erfasste in dieser Aufnahme einen Moment intensiver emotionaler Ausstrahlung des Nazi-Propagandaministers. Auf dem Bild sieht man Goebbels, der in die Kamera schaut, mit einem Ausdruck, der oft als durchdringend, argwöhnisch und feindselig interpretiert wird. Es wird angenommen, dass Goebbels in dem Moment, als das Foto aufgenommen wurde, gerade erfahren hatte, dass Eisenstaedt Jude ist, was zu seinem vermutlich unfreiwillig verzerrten Gesichtsausdruck führte.

In den liberalen Gesellschaften der Weimarer Republik, Großbritanniens und insbesondere der Vereinigten Staaten entwickelte sich zeitgleich eine neue Art der Bildrepräsentation des Bösen, die sich in der Sensationsdarstellung in der Presse manifestierte. Ein sprichwörtlich stilprägendes Beispiel dafür sind die Fotografien von Weegee (eigentlich Arthur Fellig), einem US-amerikanischen Fotografen, der für seine ungeschönten und oft schockierenden Aufnahmen von Kriminalität, Unfällen und dem städtischen Leben bekannt ist.

Weegee, NYC, ca. 1945.

Weegees Arbeiten, die typischerweise in der Boulevardpresse veröffentlicht wurden, zeichneten sich durch ihre Direktheit und Unmittelbarkeit aus. Sein Einsatz von Blitzlicht machte die dunklen und oft übersehenen Aspekte des städtischen Lebens sichtbar und enthüllte die "Abgründe moderner Gesellschaften". Seine Fotografien von Tatorten, Unfallstellen, Verbrechen und ihren Opfern zeigten eine rohe und ungeschönte Realität, die sich deutlich von der idealisierten Darstellung der vorangegangenen Jahrzehnte unterschied. Die rohe Direktheit seiner Bilder ist heute kaum noch vorstellbar. Eine derart ungeschminkte, ungefilterte Darstellung, wie sie Weegee praktizierte, wird der modernen Öffentlichkeit – aus unterschiedlichsten Gründen – oft vorenthalten. Sie verschwimmt in unkenntlich machenden Pixeln, oder gleich im Schrank vorauseilender Bildzensur. Eine Figur wie Weegee wäre heute wieder unmöglich, zumindest im Umfeld konventioneller Massenmedien – er wäre stattdessen vermutlich ein von de-Monetarisierung bedrohter freier Fotograf, der über die sozialen Medien sein Publikum sucht.

Ende des 2. Teils. In wenigen Tagen folgt der letzte Teil.
Quellen: Keine, Schulbuch- und eigenes Wissen.

 
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