Bilder des Bösen – Böse Bilder 3

Eine Kulturgeschichte der Bilder des Bösen
3. Teil.

Die visuellen Vorboten auch des sich abzeichnenden Zweiten Weltkriegs entstanden – wie schon drei Jahrzehnte zuvor - erneut in Asien, in China während des Konflikts mit Japan. Ein besonders ikonisches Bild ist das Foto der kleinen Ping-Mei in den rauchenden Ruinen des ausgebombten Bahnhofs in Shanghai, das im Oktober 1937 im "Life Magazine" veröffentlicht wurde. Dieses Bild, wenngleich mit hoher Wahrscheinlichkeit inszeniert, wurde schnell ebenso zu einem Symbol für die Leiden unschuldiger Zivilisten in Kriegen als auch Fokalpunkt anti-japanischer Ressentiments im Westen.

H.S. Wong - “Bloody Sunday”. Die kleine Ping-Mei in den Ruinen des Bahnhofs in Shanghai.

Dieses Bild wurde schnell von den Gräueltaten, die nach dem Fall von Nanking an japanische Truppen im Dezember 1937 folgten, überlagert. Diese waren jedoch so unglaublich und gewalttätig, dass die Bilder zunächst der Öffentlichkeit im freien Westen vorenthalten wurden und zunächst nur auf diplomatischen Wegen zur direkten – wenngleich erfolglosen - Einflussnahme auf die Regierung des Deutschen Reiches als Verbündeten Japans genutzt wurde. Der wochenlange Blutrausch von Nanking überschattete die vorherigen Ereignisse und zeigte die extreme Brutalität des Krieges.

In Europa zeigte der Spanische Bürgerkrieg ab 1936, dass in modernen Konflikten keine klare Unterscheidung mehr zwischen Front und Heimat, zwischen Kombattanten und Zivilisten besteht. Der Konflikt verdeutlichte auch, dass in ideologisch geprägten Kriegen keine Seite auf Gnade hoffen konnte. Das Böse agierte nun getrieben von den mörderischen Ideologien der Neuzeit absichtsvoll; dem zügellosen Blutrausch der Vergangenheit folgte der organisierte Massenmord auf Befehl. Der angstvolle Blick nach oben findet sich in vielen Fotografien der Zeit, Picasso schuf mit Guernica 1937 ein monumentales Gemälde als Reaktion auf das Bombardement der baskischen Stadt durch die deutsche Luftwaffe.

Robert Capa, Bilbao 1937

Das Verbrechen an den Juden Europas während des 1939 auch in Europa ausgebrochenen 2. Weltkriegs durch das nationalsozialistische Deutschland ist eines der dunkelsten Kapitel der Menschheitsgeschichte. Die Dimensionen dieses Genozids und die schockierende Tatsache, dass eine Nation, die als Teil des aufgeklärten Europas galt, zum Henker eines ganzen Volkes werden konnte, überfordern bis heute die Vorstellungskraft vieler Menschen.

Die industrielle und bürokratische Effizienz, mit der der Holocaust durchgeführt wurde, steht in erschreckendem Kontrast zu den humanistischen und aufklärerischen Idealen, die man mit Europa des 20. Jahrhunderts assoziiert hätte. Die systematische Vernichtung von etwa sechs Millionen Juden, sowie von Millionen anderen Opfern, darunter Roma, politische Dissidenten, Homosexuelle und Menschen mit Behinderungen, wurde mit einer Präzision und Kaltherzigkeit durchgeführt, die schockierend ist.

Die Tatsache, dass ein derartiges Verbrechen in der modernen Geschichte stattfinden konnte, hat nicht nur die zeitgenössische Gesellschaft tief erschüttert, sondern prägt auch weiterhin unser Verständnis von Moral, Ethik und menschlicher Natur. Der Holocaust hat gezeigt, wie schnell zivilisatorische Normen zusammenbrechen können und wie wichtig es ist, stets wachsam gegenüber den Anzeichen von Intoleranz, Hass und Autoritarismus zu sein.

Diese Ereignisse markierten einen Wendepunkt in der Art und Weise, wie Krieg und das damit verbundene Böse wahrgenommen und dargestellt wurden. Die Fotografie spielte eine entscheidende Rolle dabei, diese grausame Realität einem breiten Publikum zugänglich zu machen und damit das Bewusstsein für die Schrecken des Krieges zu schärfen.

Anders als bei den aktuellen Konflikten der Gegenwart, bei denen sich Gewalt- und Tötungsaktionen oft nicht verbergen lassen – oder zunehmend selbstbewusst und frei jeder Scham verbreitet werden wurden solche Handlungen in vergangenen Kriegen nach Kräften im Pulverdampf des Geschehens verborgen. Die wenigen offiziell angefertigten Filmdokumente aus den Ghettos des Ostens beispielsweise wurden dem deutschen Publikum letztlich vorenthalten. Zu groß war die Befürchtung, dass der Betrachter trotz aller propagandistischer Mühen eher Mitleid als Hass empfinden würde.

Pogrom in Lemberg, 1941. Verfasser unbekannt.

Die privaten Aufnahmen hingegen, deren Anfertigung offenbar an vielen Tatorten möglich war, fanden ihren Weg in die Fotoalben von Amateurfotografen. Bilder von den täglichen Erschießungen im Baltikum oder von einem außer Kontrolle geratenen Mob in Lemberg im Jahr 1941 waren somit zumindest einem kleinen, privaten Publikum zugänglich.

Erst nach dem Krieg wurde die Dimension des Verbrechens tatsächlich sichtbar. Zwei dieser Bilder beeinflussen mich bis heute. Das erste zeigt einen kleinen Jungen, der seine Hände erhoben hat. Er war damals in meinem Alter. Das Foto entstand während der Räumung des Ghettos, und lange verstand ich nicht, warum ein Kind wie ein Kombattant die Hände erheben musste, welche Bedrohung von ihm ausgehen könnte. Das zweite Bild zeigt einen schmächtigen Mann hinter Glas, der nicht bedrohlicher wirkte als ein Handlungsreisender. Seine so offensichtliche Harmlosigkeit wurde noch verstärkt durch pedantisches, immer hilfsbereites Verhalten in den erhaltenen Filmaufnahmen seines Prozesses in Jerusalem. Neben den von ihren Henkern angefertigten Fotografien der zahllosen Lagerhäftlinge sind es diese Bilder, die für mich stellvertretend für das Böse dieser Zeit stehen. Der kleine Junge in Warschau ist das Opfer einer alles verachtenden Bösartigkeit, die ich lange überwunden glaubte.

Adolf Eichmann während seines Prozesses in Jerusalem (Mai 1961) - dpa

Die Banalität des Bösen in Form des inhaftierten Eichmann macht hingegen wieder zu deutlich, wie leicht es Ideologien haben können, alltägliche Menschen in Werkzeuge rücksichtsloser Systeme zu verwandeln. Eichmanns Erscheinung und Verhalten im Gerichtssaal warnen eindrucksvoll davor, dass das Böse oft nicht in monströser Gestalt auftritt, sondern sich in der Normalität verstecken kann, getarnt als Bürokratie und Routine. Seine Taten und die des NS-Regimes erinnern uns daran, dass die größten Gräuel häufig von jenen erst möglich gemacht werden, die behaupten, nur Befehle auszuführen oder 'ihre Arbeit zu machen', ohne die moralischen Implikationen ihres Handelns zu hinterfragen.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem Abwurf zweier Atombomben über Japan begann der Kalte Krieg. Die Bilder und die Folgen des ersten Einsatzes von Kernwaffen in der Menschheitsgeschichte werden je nach Perspektive und Beteiligung am Konflikt unterschiedlich interpretiert. Für einige symbolisieren sie das Ende eines mörderischen Konflikts, für andere stehen sie für den hunderttausendfachen Tod und das Leid in Hiroshima und Nagasaki.

Technologische Verbesserungen wie beispielsweise in der Bildtelegrafie beschleunigten die Kadenz der Bilder, der kritische Bildjournalismus erreicht im liberalen Westen seinen Höhepunkt. Nick Ut’s Foto der lebensgefährlich verbrannten neunjährige Phan Thi Kim Phuc erreicht noch am gleichen Tag die Bildredaktionen der Welt. Bildreportagen über die Konflikte in Korea, dem Nahen Osten, Biafra, dem Kongo und insbesondere den Vietnamkrieg prägten die Wahrnehmung und Meinung liberaler Gesellschaften. Ein exemplarischer Vertreter der zahlreichen Bildjournalisten dieser Zeit ist Don McCullin, der über Jahrzehnte hinweg Fotografien aus den Brennpunkten der Geschichte lieferte.  Viele seiner Fotografien haben bis heute ihre Wirkmächtigkeit nicht verloren, seien es beispielsweise die Fotografie der trauernden Witwe eines ermordeten türkischen Schäfers in Zypern, 1964, oder die einer hungernden und ausgemergelten Mutter mit ihrem Kind in Biafra 1968.

Der politische und religiöse Terror und somit auch seine Bilder fanden ab Anfang der 70er Jahre ihren Weg in die Öffentlichkeit. Die Darstellung von Bildern des Terrors als Bilder des Bösen ist ein wesentlicher Aspekt der zeitgenössischen Kriegs- und Konfliktberichterstattung. Dies galt umso mehr, nachdem die Organisatoren des Terrors gelernt hatten, die Bilder für ihre Zwecke zu nutzen – oder ihre Taten so zu planen, dass diese eine maximale Medienwirkung erzielten.

Ein frühes Beispiel dafür sind die Olympischen Spiele 1972 in München, bei denen ein palästinensisches Terrorkommando israelische Athleten als Geiseln nahm und tötete. Die weltweite mediale Verbreitung der Geiselnahme und der ermordeten Sportler hatten einen tiefgreifenden Einfluss auf das internationale Bewusstsein für Terrorismus.

Anarchistische Gewalttäter - Fahndungsplakat, BRD, 1972

Der Terror der Roten Armee Fraktion (RAF) in Deutschland, während der 1970er und 1980er Jahre stellt ein markantes Kapitel in der Geschichte des Terrorismus dar. Die RAF, eine linksradikale terroristische Gruppierung, verübte eine Reihe von Bombenanschlägen, Morden und Entführungen, mit dem Ziel, das politische System der Bundesrepublik Deutschland zu bekämpfen und eine revolutionäre Veränderung herbeizuführen. Die Fahndungsplakate und somit die Gesichter der Terroristen wurden alltäglich.

Einer der bekanntesten Akte des RAF-Terrorismus war die Entführung des Lufthansa-Flugzeugs "Landshut" im Jahr 1977. Die Entführung war Teil der sogenannten "Deutschen Herbstes", einer Serie von terroristischen Aktionen der RAF. Terroristen der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP), die mit der RAF sympathisierten, entführten die Maschine, um die Freilassung inhaftierter RAF-Mitglieder zu erzwingen. Die vier Tage dauernde Geiselnahme endete mit einer dramatischen Befreiungsaktion durch die deutsche Spezialeinheit GSG 9 in Mogadischu, Somalia. Zwar gingen die Bilder der befreiten Geiseln um die Welt und wurden zu einem Symbol für einen entschlosseneren Kampf gegen den Terrorismus. Der tagelange Nervenkrieg zuvor und die Bilder des ermordeten Lufthansa Kapitäns Jürgen Schuman stehen gleichwohl in dauerhafter medialer Konkurrenz zu den Bildern der geretteten Passagiere.

Die Fotografie der zertrümmerten Bugsektion der „Maid of the Seas“, die 1988 durch libysche Terroristen zum Absturz gebracht wurde, stellt sowohl ein tragisches als auch eindrucksvolles Bildzeugnis dar. Der Anschlag, bei dem 270 Menschen ums Leben kamen, zählt zu den schwersten Terrorakten in der Geschichte der zivilen Luftfahrt.

Pan Am Flug103, 21 Dezember 1988. Clipper Maid of the Seas, Pan American World Airways, N739PA - AAIB.

Dieser Akt wurde weitgehend als staatlich unterstützter Terrorismus betrachtet, da die Täter Verbindungen zur libyschen Regierung unter Muammar al-Gaddafi hatten. Der Anschlag auf Flug 103 galt offensichtlich als Vergeltungsmaßnahme für militärische Aktionen der USA gegen Libyen. Die zerstörte Boeing 747 mit dem für diesen Flugzeugtyp charakteristischen Buckel über der vorderen Rumpfsektion, eine Ikone des technologischen Optimismus der 60er Jahre, ermöglichte eine visuelle Zuordnung des Schreckens, der so plötzlich über die Besatzung, die Passagiere und die Einwohner von Lockerbie hereinbrach.

Schließlich zeigten die Angriffe vom 11. September 2001 die neue Dimension des globalen Terrorismus. Die Bilder der einstürzenden Zwillingstürme des World Trade Centers wurden zu in aufgeklärten Gesellschaften zu gleichsam übermächtigen Symbolen des Schreckens. Die Fotografien dieses Tages, einschließlich des Fallenden Mannes wirken bis heute nach.

In der Moderne entwickelte sich die Darstellung des Bösen weiter zu einer komplexen Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen, psychologischen und existentialistischen Themen. Künstler und Schriftsteller wie Franz Kafka mit seiner Figur Gregor Samsa aus "Die Verwandlung" oder Fjodor Dostojewski mit Raskolnikow aus "Schuld und Sühne" stellten das Böse in einem kontextuellen Rahmen dar, der persönliche Konflikte mit tieferen gesellschaftlichen und existenziellen Dilemmata verknüpfte. Diese Werke reflektierten die zunehmend komplexen Vorstellungen von Gut und Böse in einer sich schnell verändernden Welt und zeigten, dass das Böse oft aus den Tiefen der menschlichen Psyche und den Bedingungen der Gesellschaft hervorgeht.

Die künstlerische Darstellung des Bösen zu einer vielschichtigen Reflexion gesellschaftlicher und politischer Themen entfaltet. Diese Ära, auch geprägt von immensen technologischen Fortschritten im Bereich der Informationstechnologie, nutzt das Böse in all seinen Erscheinungsformen zunehmend auch als Mittel zur Unterhaltung.

In der Welt der Comics und Filme begegnen wir einer Vielzahl von Darstellungen des Bösen, die von nahezu mythologischen Antagonisten in Superhelden-Epen bis hin zu subtileren und psychologisch komplexeren Figuren in Filmen wie 'Das Schweigen der Lämmer' reichen. Die übermenschlichen Schurken in Universen wie denen von Marvel oder DC spiegeln oft Ängste und Konflikte unserer Gesellschaft wider und werden zu Metaphern für den ewigen Kampf zwischen Gut und Böse. Dabei scheint das Gute in der Wahrnehmung der Zuschauer umso größer zu werden, je übermächtiger das Böse dargestellt wird. Dies zeigt sich nicht nur in Charakteren wie Darth Vader oder Thanos, sondern auch in komplexeren Figuren wie Norman Bates, Hans Gruber, Hans Landa oder HAL 9000.

In der Welt der Videospiele wird das Böse zu einer interaktiven Erfahrung, die Spieler direkt in den moralischen Konflikt einbezieht. Anders als in Filmen oder Büchern, wo das Böse lediglich beobachtet wird, erleben die Spieler es hier aktiv und treffen Entscheidungen, die weit über den moralischen Horizont der realen Welt hinausgehen können. Der spielende Mensch, der 'Homo Ludens', wird in virtuellen Realitäten wie beispielsweise in 'GTA 5' oft mit der Möglichkeit konfrontiert, grundböse zu sein. Hier ist das Spielziel eine Karriere außerhalb des Gesetzes und mitunter auch gesellschaftlicher Normen.

Screenshot, Call of Duty 4 Modern Warfare- Infinity Award

In der vierten Folge der erfolgreichen 'Call of Duty'-Reihe gibt es eine bemerkenswerte Mission, in der der Spieler die Rolle eines Bordschützen einer AC-130 übernimmt. Ausgestattet mit Infrarotsicht, nimmt der Spieler feindlich markierte Ziele unter Beschuss. Diese Darstellung bietet eine gottähnliche Perspektive und vermittelt – zumindest in dieser Mission – ein Gefühl der Unangreifbarkeit. Diese Inszenierung verwandelt den Krieg in ein technokratisches Erlebnis, das mehr einem Videospiel als der Realität ähnelt. Diese Art der Darstellung bot einen Vorgeschmack auf die Art von Bildern, die heute häufig in den sozialen Medien zu finden sind, wo sie als visuelle Erfolgs- oder Vollzugsmeldungen dienen.

Screenshot, Live-View Drohnenangriff, Ukraine, Januar 2024 - Ukraine News

In der heutigen Zeit werden wir oft zu Augenzeugen von Szenen auf dem Schlachtfeld, die an Videospiele erinnern. Soldaten rennen, verfolgt von umgebauten Spielzeugdronen, um ihr Leben und werden häufig getötet. Die Kameraeinstellungen wechseln dabei zwischen der Perspektive der verfolgenden Drohne und einer Totale, die die Szene im Gesamtzusammenhang zeigt. Besonders auffällige Tötungen werden in den Kommentaren oft mit einer lässigen Kennerschaft, ähnlich der in Videospielen, kommentiert. Diese Darstellungen erzeugen eine Atmosphäre, die an ein virtuelles Kolosseum der Neuzeit erinnert, in dem die 'Helden' jeder Seite von ihren Anhängern angefeuert werden.

Diese Kriegsvideos stammen heutzutage nicht mehr ausschließlich von einem zentralen Propagandaministerium. Stattdessen werden die einzelnen militärischen Einheiten zu einer Art Influencern, komplett mit den Insignien moderner Markenkommunikation. Es kommt vor, dass der erste Angriff lediglich zu Verwundungen führt, und wir werden zu Zeugen – und letztlich zu Komplizen – wenn ein zweiter Angriff die am Boden liegenden Menschen und die zu Hilfe eilenden Kameraden gleichermaßen zerfetzt. Diese Bilder werden mitunter mit videospielartigen Effekten und dem Logo der jeweiligen Einheit als Abschluss versehen

Noa Argamani am 7. Oktober 2023 - Propagandamaterial d. Hamas

In Israel haben die Terroristen, zumindest in der Anfangsphase des Konflikts, zahlreiche Bilddokumente der eigenen Gräueltaten unmittelbar und ungefiltert ins Netz gestellt. Dies stellt einen der größten Unterschiede im Umgang mit Bildern des Bösen dar. Während die Nationalsozialisten noch darauf bedacht waren, die Morde im Nebel des Krieges zu verbergen, sind die Bilder der modernen Mörder ein wertvolles Instrument im Wettbewerb um öffentliche Aufmerksamkeit.

In diesem Kontext entstand auch das Bild der um ihr Leben flehenden 25-jährigen Noa Argamani, ein Bild, das in seiner Dramatik und Verzweiflung ebenso in Lemberg 1941 hätte entstehen können. Diese Art der Darstellung zeigt, wie sich die Natur der Kriegsberichterstattung gewandelt hat: von einer versteckten zu einer offenen, rohen und direkten Visualisierung des Bösen und der Gewalt.

München, Olympische Spiele 1972. Ein palästinensischer Terrorist erscheint auf einem Balkon im Münchner Olympischen Dorf, wo Mitglieder des israelischen Teams als Geiseln festgehalten wurden - Fairfax Media – The Sydney Morning Herald/Getty Images

Für mich ist es das Foto des Attentäters von München 1972, eingefangen während des tragischen Geiseldramas bei den Olympischen Spielen, das wohl für immer tief in meinem Gedächtnis verankert bleiben wird. Es zeigt einen maskierten Mann, der auf dem Balkon eines Olympischen Dorfes steht, und verkörpert in diesem einzigen, gefrorenen Moment sowohl die unmittelbare Bedrohung als auch das undurchsichtige Gesicht des Terrorismus. Dieses Bild, das eine Zeit des Sports und internationalen Friedens abrupt in eine Bühne des Schreckens verwandelte, steht symbolisch für die Zerbrechlichkeit des Friedens und die schockierende Präsenz des Bösen in unserer modernen Welt. Es ist nicht nur ein Dokument eines spezifischen historischen Ereignisses, sondern auch ein mahnendes Zeichen für die ständige Wachsamkeit gegenüber den Kräften der Zerstörung und des Hasses, die in der Lage sind, jeden Moment der Normalität zu unterbrechen.

Die Bilder des Bösen haben sich verändert, wie sich auch unsere Gesellschaft verändert hat. Was sich nicht verändert hat ist die Tatsache das diese Bilder nur der Spiegel unserer selbst sind.

 

Dino Mari

www.dmari.de


Nur Eigen- und Schulbuchwissen, daher keine Quellenangabe. Bis zum nächsten Mal - dann aber nur Schönes!

 
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"The Americans": Wie Robert Frank die Sprache der Fotografie revolutionierte 

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