Eyes Up Here

Celina - Aristoteles hatte Recht.

Viel ist gesagt und geschrieben worden über die American-Eagle-Kampagne mit Sydney Sweeney und ihren unzweifelhaft guten Genen. In Deutschland mag das Echo verzögert ankommen – manches Unternehmen hat das Memo des sich wandelnden Zeitgeistes noch nicht gelesen, andere ignorieren es schuldbewusst. Doch die Richtung ist erkennbar: Werbung besinnt sich zurück auf das, was wirksam ist. Sie zeigt nicht das Alltägliche, sondern unser Verlangen. Sie spiegelt Ehrgeiz, Eitelkeit, Ego – kurz: das Bild von uns, das schöner, jünger, schlanker, sportlicher ist, als wir es tatsächlich sind.

Noch 2019 wurde an westdeutschen Kunst- und Designhochschulen die Gillette-Kampagne The Best Men Can Be gefeiert – damals ein Meilenstein in die Gegenrichtung. Eine Kampagne, die ihre eigenen Kunden – Männer – im Sinne des Zeitgeistes lächerlich machte. Das galt als kritisch, als kreativ, ja als politisch notwendig. Damit verschob sich jedoch der Auftrag der Gestaltung: Der Fotograf oder Designer war nicht länger dem Kunden verpflichtet – also der Aufgabe, durch Bilder Mehrwert zu schaffen, Produkte zu verkaufen, Arbeitsplätze zu sichern. Stattdessen wurde ihm ein erzieherischer Auftrag zugeschrieben. Werbung als moralische Lektion. Das war kein kapitalistisches, sondern letztlich ein antikapitalistisches Programm – und es prägt die Bildkultur bis heute. Nicht nur in der Werbung, auch in der Alltags- und Freizeitfotografie, die auf betont piktorale und künstlerische Weisen zurückgeworfen wurde.

“Eyes Up Here”

Gerade deshalb markiert die aktuelle Kampagne einen sichtbaren Wendepunkt. Nicht, weil sie als erste Schönheit zurück ins Zentrum stellt, sondern weil sie deutlich macht, dass die Gegenrichtung wieder greift. Und diese Gegenrichtung ist keine Ideologie, kein Nationalismus, kein Faschismus. Es ist die einfache Rückbesinnung auf das, was schön ist. Auf Jugend, Attraktivität, Adoleszenz – Dinge, die Menschen seit jeher anziehen, antreiben und in Gesellschaften eine fundamentale Rolle spielen. Bis hin zur sexuellen Reproduktivität, die letztlich eine der stärksten Triebfedern unseres Handelns ist.

Schönheit ist nicht gleichmachbar. Manche sind schöner, sportlicher, strahlender – und Werbung darf das zeigen. Denn sie lebt nicht von der Versicherung „Du bist schon gut genug“, sondern von der Sehnsucht: Da ist mehr, da geht mehr, das könnte auch deins sein. Umso erfrischender war es, dies am Set mit Celina fotografisch einzufangen: eine junge Frau, die ebenso selbstbewusst wie schön ist, sich ihrer Wirkung bewusst – und doch frei von Koketterie. Eyes up here – die Augen sind hier oben. Das steht für eine Rückbesinnung auf eine Zeit, in der Geschlechterbewusstsein und Anziehungskraft ebenso augenzwinkernd wie selbstverständlich waren. Lange bevor eine in jedem Sinne toxische, hässliche Debatte die Bewunderung – gerade für das Blühen der Jugend – vergiftet hat.

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un admirador

Eugen Gomringer, getilgt von der Fassade einer deutschen Hochschule, 2019 – im Namen einer Ideologie, die Schönheit für verdächtig und gefährlich hält.

Danke Celina, Danke Kim ;)

Celina represented by Seeds, Munich.
Kim Sina Sommermeyer, www.ks-makeup.de

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